Christa Meves, Uelzen

Altern - eine geistliche Aufgabe

Die erfahrene Psychotherapeutin zeigt, wie auch alte oder kranke Menschen ein Segen für ihre Mitmenschen sein können.



Christa Meves, geb. 1925, verheiratet, zwei Töchter, vielfach ausgezeichnete Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Schriftstellerin. Sie studierte Geographie, Germanistik und Philosophie in Breslau, Kiel und Hamburg, und zusätzlich Psychologie. Autorin von mehr als 100 Büchern, von 1978 ? 2006 Mitherausgeberin des Rheinischen Merkur.
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Für viele Menschen ist das Alter eine Prüfungszeit, die sich nur schwer ohne geistliche Vorbereitung bestehen lässt. Mut zum Werden - das ist nicht nur eine Sache der jungen Jahre. Der alternde Mensch nimmt zwar ab an Beweglichkeit, an Kraft, und die Sinnesorgane verlieren ihre jugendliche Schärfe; aber er nimmt auch zu an Erfahrung, an Besonnenheit. Er bekommt die Aufgabe, mehr auf die inneren Stimmen und Kräfte zu vertrauen, die ihn auf die richtige Bahn lenken: Zum Gebet, in das Gespräch mit dem großen Du, ohne das unser Menschenleben kein Werden bis ins hohe Alter hinein wäre, sondern ein langsames Dahinsterben. Doch der Glaubende weiß, dass selbst der Tod kein Ende ist, sondern eine Station auf dem Weg zu Gott.
 
Das Alter bejahen
Alte Menschen, die aufgrund dieser Einstellung ihr Alter bejahen, können sogar in dem Abnehmen ihrer Kräfte einen Sinn sehen. Das Schwinden der Seh- und Hörschärfe kann zu einem Hinweis werden, dass die Bereiche der sinnlichen Außenwelt unwesentlicher werden; wachsende Unbeweglichkeit der Gliedmaßen lässt erkennen, dass das Leben nicht mehr hauptsächlich in äußerer Aktivität bestehen soll. Hören und Sehen nach innen, das Erinnern und Bilanzziehen, das Hinwenden zu religiösen Bezügen tritt an ihre Stelle. Was für eine großartige Altersaufgabe ist es, viel Zeit zum Beten zu haben! Wie wichtig ist dieses Amt für unsere Nachkommen, unsere Freunde, für unsere Gemeinde, unser Volk, für die Menschheit! Was für eine Gnade, dass durch ihre lange Lebenszeit heute mehr Menschen die Aufgabe der Fürbitte im Alter ganz ernst nehmen können!
 
Fürbitter sein
Wir brauchen uns gewiss nicht einzubilden, dass das Fortbestehen unserer Welt nur eine Sache schlauer Politiker, nur eine Angelegenheit findiger Wirtschaftsmanager sei. Diese Welt in all ihrem kurzsichtigen Hochmut der Machbarkeit, der Vergötterung von Geld, Lust, Macht und Bequemlichkeit - wie sehr braucht sie die stillen Liebenden, die wachen und beten, die Gott nicht vergessen. Denn eine Welt, die in ihrem Stolz meint, Gott nicht mehr nötig zu haben, geht unter; das zeigen uns viele Erzählungen der Bibel und die Erfahrungen der Weltgeschichte. Die Welt braucht die Alten, die den Gottesdienst im wahrsten Sinne des Wortes in den Mittelpunkt ihres Lebens stellen. Dadurch ist sogar der bettlägerige, pflegebedürftige alte Mensch sehr wichtig für seine Mitmenschen, oft viel nützlicher, als er es sich vorstellen kann. Weise alte Menschen können so zum Zentrum und zum stillen Mittelpunkt ihrer Umgebung werden, der sie durch ihre Geduld und ihr Zuhören Frieden schenken.
 
Alleinsein bewältigen
Viele Menschen empfinden es als besonders hart, im Alter allein zu leben. In der Tat ist die Umstellung schwer. Alleinstehenden Menschen fehlt ja, was Verheiratete meist als Selbstverständlichkeit ansehen: Einen Gesprächspartner zu haben, mit dem man reden, den man fragen kann. Selbst wenn dieser Sprechkontakt sich nur auf Alltagsabläufe beschränkt, befriedigt er das elementare Bedürfnis des Menschen, sich mit einem anderen auszutauschen. Wenn die Gelegenheit fehlt, Alltagssorgen zu besprechen oder sich von Ärger dadurch zu befreien, dass man die Probleme ausspricht und Verständnis findet, kann das zu einer großen Not werden.
 
Allein leben zu müssen, kann deshalb schwer sein und muss um so mehr als eine wichtige, ganz ernstzunehmende Aufgabe verstanden werden. Immer weniger Familien pflegen aber die Alten in ihrer häuslichen Umgebung. Die Motive dafür sind vielfältig: Die Wohnungen sind zu klein, die Familienmutter ist selbst berufstätig, die Alten sind manchmal unleidlich, herrschsüchtig oder säuglingshaft anspruchsvoll; das Bedürfnis nach dankbarer "Rückgabe" der einstigen elterlichen Fürsorge ist verschüttet oder mit einer Schicht von Herzensträgheit und Bequemlichkeit überdeckt. 
 
Kontakte pflegen
Da die Lebenszeit beständig steigt, sollten sich die Alten heute darauf einstellen, ihre "Rechnung ohne die Kinder" zu machen, das heißt, sich auf eine Gestaltung ihres Alters einzurichten, ohne ihre erwachsenen Kinder für ihre Pflege in Anspruch zu nehmen. Es ist sinnvoller, sich rechtzeitig ein Einzelzimmer in einem Pflegeheim zu sichern oder für eine private Pflegemöglichkeit Vorsorge zu treffen. Die Alten haben viel mehr Chancen, die Dankbarkeit der erwachsenen Kinder zu erleben, wenn sie sich ganz von ihnen frei machen.
Das Alleinsein im Alter braucht aber trotzdem nicht in die Vereinsamung zu führen. Es kann sogar vertiefte Lebensformen bewirken, die es möglich machen, Kraft und seelische Wärme auszustrahlen. So finden alte Menschen häufig noch neue Aufgaben in ihrem Umkreis, in ihrer Gemeinde, unter Gleichaltrigen. Die anderen erspüren rasch den Menschen mit seelischer Kraft. Wem die Fähigkeit geschenkt wurde, offen zu sein für Gott, kann auch offen sein für seine Umwelt. Auch in einem Altersheim, in einem Krankenhaus, in einem Sanatorium. Der Offene findet Freunde; selbst der Hilflose kann den Hilfreichen beschenken, der Kranke kann zum Heil werden für seinen Pfleger. Das Mitmenschliche, welches unser Dasein erst zum Leben macht, kann sich äußern durch Kleinigkeiten und Anteilnahme zur rechten Zeit.
 
Ein Beispiel
Eine heute 79jährige Frau verlor in der Nachkriegszeit durch einen Unfall ihren Verlobten, die große Liebe ihres Lebens. Nach der Vertreibung aus dem Osten, nach Jahren mühsamen Ringens um die nackte Existenz bekam sie schließlich eine feste Anstellung bei einer Behörde. Erst nach der Pensionierung wurde sie sich ihrer Einsamkeit bewusst. Die Wände starrten sie an. Sie fiel in Depressionen und fand zunächst keinen anderen Ausweg, als sich immer mehr mit Alkohol abzulenken.  
Bald traten Folgen auf: Es fiel ihr schwer, morgens aufzustehen, ihr Gedächtnis ließ nach, verschiedene Leiden stellen sich ein. Beginnende Freundschaften verscherzte sie sich immer wieder durch lange Monologe über ihre Leiden, ohne dabei ein Gespür für die Bedürfnisse der anderen zu entwickeln und ohne das Maß für die Länge von Besuchen und Telefongesprächen zu finden. Ihre zunehmende Einsamkeit machte ihre Kontaktversuche entsprechend maßloser. Deshalb zogen sich die Menschen mehr und mehr von ihr zurück, sie fühlte sich gekränkt und geriet so in den Teufelskreis einer sich ständig vertiefenden Einsamkeit.
 
Neue Perspektiven
Die Wende brachte ein zufällig im Hausflur geknüpftes Gespräch mit der Wohnungsnachbarin, einer Journalistin, die fragte, ob sie das nächtliche Geklapper auf dem PC störe und klagte, dass es ihr schwer fiele, ihre Texte ohne Rechtschreibfehler zu schreiben. Die Behördenangestellte, eine gelernte Schreibkraft, bot ihre Hilfe an. Sie erlebte eine Phase gesteigerten Lebensgefühls, weil sie eine Aufgabe sah. Sie schaffte sich einen Computer an, lernte erstaunlich rasch, ihn zu benutzen und nahm Anteil an der Arbeit der Nachbarin.
Dann kam die Freundschaft jedoch in eine Krise: Denn kaum war der Abend gekommen, stürzte die alte Dame zu ihrer Nachbarin, nahm sie aber nun in übertriebener Weise in Anspruch. Die Journalistin erfand Ausreden und zog sich zurück. Der Sekretärin drohte ein Rückfall in den Vereinsamungsalkoholismus. Als sie, um der Versuchung des Trinkens zu widerstehen, eines Tages den Schrank aufräumte, fand sie unter einigen Habseligkeiten ihrer Mutter eine alte Bibel. Sie las sich im Johannesevangelium fest. Und plötzlich wusste sie, was Christus, der ihr bisher nichts bedeutet hatte, ihr sagen wollte: Dass man von sich und seiner Person, seiner Angst, seiner Einsamkeit absehen kann, wenn man sich nur der Aufgabe hingibt, Gott zu lieben; wenn man versucht, sich wie Christus in den Dienst zu stellen und nicht mehr ständig auf sich selbst zu schauen, auf das Haben, auf Lohn und Dank; wenn man um der Partnerschaft Gottes willen sein Leben lebt.
 
Zufrieden alt werden
Dadurch veränderte sich ihr Leben: Sie war nun zufrieden und ausgefüllt. Nach dieser Einstellungsänderung kam der Austausch mit der Nachbarin rasch wieder in Gang. Viele neue anregende Möglichkeiten taten sich auf. Ihr Von-sich-Absehen wurde für die alte Frau ein Auf-Gott-Zugehen. Sie wusste jetzt, dass ihr ganzes Leben – ihr Frohsein, ihr Ertragen des Alleinseins, ihr Beten für die vielen hektischen Menschen, ihr Nachdenken und Lieben – wie das Sammeln von Früchten in einen Korb ist, die sie nach dem Tod ihrem Vater bringen wird, als Geschenk für ihn. Sie hatte die Wahrheit des Christuswortes erfahren:
"Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er jetzt stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben." (Joh. 11,25)


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