Krisen sind unser Alltag, gehören zu Wachstums- und Veränderungsprozessen dazu. Dass man ihnen nicht machtlos ausgeliefert ist und wie man daraus lernen kann, zeigt dieser persönliche Bericht.
Die Nachrichten melden den Amoklauf in Winnenden. Ein schreckliches Ereignis. Im Fernsehen erkenne ich, dass jemand ein Schild hochhält: „Gott, wo warst Du?“ Ich frage mich spontan, ob das nicht eher heißen müsste: „Mensch, wo warst du?“ Bei allem Schmerz und Leid, das der Amokläufer verursacht hat, gibt es aber auch ihn, diesen wütenden, an sich und den Menschen verzweifelten jungen Mann. Das ist nicht nur die Krise des Amokläufers, nicht nur die Krise der Eltern des Täters, sondern die Krise einer Kleinstadt, letztlich aber auch der Gesellschaft. Wenn wir „nur“ den bösen Täter sehen, der sich dann selbst gerichtet hat, ansonsten aber ins Gefängnis müsste, sind wir zwar schnell fertig mit dem Fall an sich, aber nicht mit dem Ereignis.
Wo liegt die Chance, wo die Gefahr?
Eine Chance bei solchen Ereignissen ist, dass wir über unser Leben nachdenken, unsere Oberflächlichkeit, unsere Beziehungsarmut und den fehlenden Lebenssinn. Wir neigen schnell dazu das Problem äußerlich zu sehen. Da ist der Zugang zu Waffen oder zu Gewaltspielen auf dem Computer. Sicherlich bedenkenswerte Hinweise, Aber wenn es lediglich bei äußeren Regularien und beim Verurteilen der mangelnden elterlichen Aufsichtspflicht bleibt, werden wir dem Ereignis nicht gerecht. Wir sehen an den Nachahmungstätern und eingehenden Drohungen, wie groß das Aggressionspotenzial insgesamt ist. Eine Gefahr wäre es, den jungen Mann zu entschuldigen, weil er von Mitschülern gekränkt wurde und seine Eltern ihn offensichtlich zu wenig kannten.
Veränderungen in Littleton
Aus Littleton/USA, wo 1999 von zwei Amokläufern zwölf Menschen getötet wurden, wird berichtet, dass in dem Ort eine Veränderung stattfand. Beziehungen wurden neu vertieft, Leiden konnte ausgedrückt werden und wurde verstanden, das Miteinander fand eine neue Dimension an Qualität. Das wäre auch in Winnenden zu wünschen, dass es zu einem bewussten und beziehungsstarken Leben dort führt. „Alles muss und kann zum Besten dienen…“ schreibt Paulus im Brief an die Römer (8,28). Das kann sogar für ein Massaker gelten, wenn wir daraus lernen.
Persönliche Lernprozesse durch Krisen
Wenn ich mein Leben betrachte, stelle ich erstaunt fest, dass alle lebensverändernden Maßnahmen, die ich bewusst vorgenommen habe, ohne Ausnahme ihren Ursprung in einer Krise hatten. Ich registriere fast erschrocken, dass ich offensichtlich ohne Krise gar nicht zum Umdenken, zu verändertem Handeln bereit bin. Die Bibel fordert uns auf: „Verändert euch durch Erneuerung eures Denkens“ (Römerbrief 12,2). Krisen können enorm viel bewirken, wenn wir uns ihnen aussetzen, sie nicht verdrängen, sondern ihre Botschaft und Herausforderung verstehen. Sie kommen auch nicht aus dem Nichts, sondern haben meistens einen Hintergrund, eine Geschichte, eine Entwicklung. Die Krise hat mit mir und ich habe mit der Krise zu tun. Nutzen wir sie.
Eine schwierige Lektion
Nach vielen erfolgreichen Berufsjahren, traf ich eine folgenreiche Entscheidung und machte mich in einem vermeintlich chancenreichen – aber für mich zu wenig bekannten – Arbeitsbereich selbstständig. Hinzu kam erschwerend, dass ich diese weit reichende Veränderung nicht wirklich mit meiner Frau besprochen hatte, noch mit Gott, dem „stillen Teilhaber“ in meinem Leben. Die Aufgabe reizte mich und ich startete mit erheblichem finanziellem Risiko. Nach einem Jahr waren nicht nur die Ersparnisse verbraucht, es gab auch keinerlei Erfolg. Die Geschäftspartner waren unredlich und ich musste mich mit dem Ausfall meiner Finanzen und den Enttäuschungen über ein gescheitertes Geschäftsmodell beschäftigen. Besonders schmerzhaft waren aber meine eigenen menschlichen und geistlichen Fehleinschätzungen. Es reichte nicht aus, nun die „bösen“ Menschen um mich herum anzuzeigen und denen die Verantwortung für Misserfolge anzulasten. Es ging um mich und meine eigenen Anteile am Geschehen. Bis heute hat diese Fehlentscheidung ihre Auswirkung auf unser Leben, aber ich habe daraus gelernt. Im Kern handelte es sich um eine Beziehungskrise. Ich hatte weder meine Frau noch Gott ausreichend in den Entscheidungsprozess mit hinein genommen, und auch die Warnsignale in mir und durch Freunde nicht beachtet.
Die letzte große Krise
Hier setzt immer die Chance der Krise an: Lerne ich aus dem Geschehen selbst oder mache ich andere verantwortlich? Ob es sich um eine Finanz- und Wirtschaftkrise mit der Ursache von Gier und Kontrollverlust, oder um eine Sinn-, Berufs-, Beziehungs- oder Lebenskrise handelt, immer ist die Krise ein Signal, dass Mechanismen, Werte, Ansätze, Ansichten aus früheren Lebensabschnitten nicht mehr wirksam sind. Es geht ums Innehalten, Wahrnehmen, Nachdenken und Bewerten.
Die letzte Krise ist der Tod. Die meisten versuchen das mit Lebensversicherungen und einer gehörigen Portion Verdrängung zu regeln. Wer diese Frage nicht schlüssig beantworten kann, lebt in einer permanenten Sinnkrise und versucht aus dem Leben Qualität heraus zu quetschen, das dieses einfach nicht hergibt. Wo aber göttliche, aus der Bibel kommende Antworten aufgenommen werden, wird nicht nur unser menschliches Grundbedürfnis nach Liebe und Bedeutung gestillt, sondern auch das ganze Leben, auch das Leben über den Tod hinaus mit Sinn und Perspektive erfüllt. Diese Investition lohnt sich und bringt weit reichenden Ertrag.