Fünf Fragen an Bernd Oettinghaus, Frankfurt

Warum eigentlich beten?

Der Leiter der Runden Tischs Gebet erklärt, warum Christen eine Verantwortung für ihr Land haben und welche Initiativen es dazu gibt.



Bernd Oettinghaus, geb. 1959, verheiratet, vier Kinder, war in Erstberuf Gärtnermeister, ehe er sich ehrenamtlich als Gemeindegründer in einem Frankfurter Hochhausviertel engagierte und berufsbegleitend evangelische Theologie studierte. Als Diplom-Theologe ist er Gebetsleiter der Evang. Allianz in Frankfurt und in mehreren Gemeinden der Evang. Kirche im Pastoralen Dienst tätig.
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VOICE: Herr Oettinghaus, Sie sind der Leiter des Runden Tischs Gebet, des deutschen Zweigs der Lausanner Bewegung. Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben?

 
Bernd Oettinghaus: Die Gebetsbewegungen, nationalen Gebetsinitiativen und Gebetsbeauftragten verschiedener Organisationen treffen sich zwei mal im Jahr, um voneinander zu hören, wie Gott sie im Gebet führt, wofür sie gerade vorrangig beten und welche Erfahrungen sie dabei machen, Menschen zum Gebet anzuleiten. Jeder hat in seiner unterschiedlichen Beauftragung ein Teil des Herzens Gottes anvertraut bekommen, ob er nun für Wirtschaft, Führungskräfte, Politik, Schüler, Studenten oder Missionare betet. Deshalb vernetzen wir uns, um einander wahrzunehmen und von Gott gemeinsam zu hören, wo es in unserem Land Schwerpunkte zu setzen gilt. So schließen wir uns z.B. zur jährlichen Aktion „40 Tage Beten und Fasten für unser Land“ in der Passionszeit zusammen und fordern die Christen in Deutschland auf, täglich mit uns für einen gesellschaftlichen Bereich zu beten. (www.40tagebetenundfasten.de)
Ein weiteres Anliegen ist es, den 3.Oktober zu einem nationalen Dank- und Gebetstag zu entwickeln aufgrund der großen Dankbarkeit für unser wiedervereintes Land. Da haben wir wirklich Grund zum Feiern, anders als wir in unserer Unbeholfenheit auch im säkularen Bereich im Moment mit diesem Tag umgehen. Für gesellschaftliche und politische Themen zu beten, ist auch der Grund für unseren Gebetsaufruf „Deutschland wählt, wir beten mit“, mit dem wir die Christen im Land intensiv auffordern wollen, für die Wahlen in diesem Jahr zu beten. Und im Lausanner Gebetskalender findet man viele Anregungen zum täglichen Gebet.
 
VOICE: Hat das Gebet von mehreren, die gemeinsam beten, generell mehr Wirkung als das Gebet Einzelner?
 
Bernd Oettinghaus: Zumindest lässt uns das Wort Gottes diese Zusammenhänge erkennen. Wobei nicht übersehen werden darf, wer die Wirkung entfaltet. Es ist nicht der Beter, sondern Gott, der aufgrund der Gebete wirkt. Jakobus lehrt hier seine Gemeinde sehr eindeutig (Jak. 4,6): „Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet“. Wir haben durch das Gebet die Möglichkeit und auch die Mitverantwortung, dazu beizutragen, dass Gottes Wille geschieht. Deshalb auch die Bitte im Vaterunser: „Dein Wille geschehe“. Dabei zählt jedes unserer Gebete, egal wer betet.
Ich vergleiche das Gebet immer mit einer Dynamitstange der Liebe Gottes. Wir positionieren sie durch unser Gebet und Gott zündet sie zu seiner Zeit. Übrigens erleben wir die Wirksamkeit von Übereinstimmung im Negativen. Zwei Menschen, die in einer negativen Haltung oder Idee übereinstimmen, entfalten eine andere Wirkmacht ihrer negativen Botschaft als ein Einzelner. Könnte das nicht auch im Positiven wirken, wenn wir in unseren Gebetsanliegen übereinstimmen und dann auch gemeinsam dafür beten? Wenn zwei Vertreter befeindeter Gruppen miteinander für Versöhnung beten, entwickelt sich mit Sicherheit eine andere Dynamik schon allein in den menschlichen Konsequenzen, als wenn es jeder nur für sich persönlich tut. Wenn zwei Christen in einer Firma gemeinsam für das Wohl der Firma beten, wirkt das Gebet schon in der direkten Umsetzung, weil zwei ermutigt und glaubensvoll nach der Zeit des Gebets an ihre Aufgaben gehen. Gott lässt sich allerdings nicht auf ein rechnerisches System reduzieren, dass wir ihm gegenüber durch eine bestimmte Anzahl von Betern oder Gebeten ein „Recht“ beanspruchen könnten, unseren Gebeten gemäß zu handeln.  
 
VOICE: Sind feste Gebetszeiten sinnvoll oder sogar notwendig?
 
Bernd Oettinghaus: Gebetszeiten sind die individuelle Gestaltung der eigenen Kommunikation und Beziehung zu Gott. Wer feste Zeiten und Rituale hat, hat eine Chance mehr, eine permanente und intensive Beziehung mit Gott zu leben. Allerdings unterliegen sie auch der Gefahr der Leere, wenn nur noch die Form gewahrt wird, aber das Leben sich schon längst aus dem Gebetsleben verabschiedet hat.
Ich selber liebe es, mich mit anderen zum Gebet zu verabreden. Es hilft mir, konsequent und diszipliniert zu beten. Allerdings bete ich genauso gerne spontan mit anderen (z.B. bei Geburtstagen, abendlichen Begegnungen, nach problematischen Begebenheiten). Aber auch ganz alleine mit Gott Zeit zu verbringen, ist ein großartiges Geschenk. Durch das Mittragen des „Jahr der Stille 2010“ wollen wir als Runder Tisch Gebet Mut machen, im nächsten Jahr Zeiten der Stille neben allem Tun einzuplanen und sich bewusst Zeit zu nehmen für Gebet als Gespräch mit Gott. Dieses Experiment des Hörens auf Gott wünschen wir auch Gremien, wie Kirchenleitungen, Vorständen und Arbeitsgruppen, sowie Ehepaaren und Freunden. Denn es ist Gottes Geist, der es immer wieder liebt, die Herzen von Menschen zu verbinden. (www.jahrderstille.de; info@jahrderstille.de)
 
VOICE: Gilt wie bei anderen Fähigkeiten auch beim Gebet die Regel: Beten lernt man nur durch Beten?
 
Bernd Oettinghaus: Beten kann man tatsächlich lernen. Jesus lehrte seine Jünger mit einem Gebetsmuster, mit Gleichnissen und durch sein eigenes Gebetsleben, an dem er sie teilhaben ließ. Vom Berg der Verklärung bis zum Garten Gethsemane. Nicht immer waren die Jünger wach genug alles mitzubekommen. Auch wir müssen im Gebet immer wieder gegen die Müdigkeit ankämpfen. Besonders in unserer Kultur, wo wir meist sitzend und mit geschlossenen Augen beten. Juden beten im Stehen, der ganze Körper ist in Bewegung und die Hände sind offen nach oben oder vorne gerichtet. Oder sie halten das Buch mit den Gebetssprüchen aus dem Wort Gottes, mit denen man sich über die eigene Sprachlosigkeit hinweg hilft und Worte des Psalmbeters zu seinen eigenen macht. Gerade das Buch der Psalmen ist ein vortreffliches Lehrbuch des Gebets. Von der harten Klage gegen Gott bis zum überschwänglichen Lob Gottes ist alles drin, Gefühle der Verzweiflung und der Verzückung. Vor Gott haben sie in klarer Ausdrucksform ihren ganz individuellen menschlichen Platz.
Aber auch als Gruppe kann man gemeinsam beten lernen. Beten bleibt Reden mit Gott und nicht verstecktes Predigen zu den Mitbetern oder theologisches Argumentieren. Wir sind eingeladen unser Herz vor Gott auszuschütten, und das darf in meiner eigenen Sprache und Art geschehen, wie ich auch sonst respektvoll mit einem Gegenüber kommuniziere. Diese Freiheit im Beten steht über allem Lernen; denn es gibt nicht das eine richtige Beten. Es geht sowieso viel mehr um die Herzenshaltung, weniger um die Worte. Hier verspricht uns das Wort Gottes im Römerbrief 8,26, dass uns der Heilige Geist mit „unaussprechlichem Seufzen vertritt“. Das heißt, er „übersetzt“ unsere Gebete, so dass sie bei Gott ankommen. Das ist doch eine befreiende Garantie. 
 
VOICE: Was können Menschen tun, die gerne beten würden, aber sich ganz weit weg von Gott fühlen oder keinerlei Beziehung zu Gott haben?
 
Bernd Oettinghaus: Jeder kann zu Gott sprechen, wo immer er ist, wie immer er sich fühlt oder was immer er glaubt. 5015 wird nach Psalm 50,15 auch als Telefonnummer Gottes bezeichnet: „Ruf mich an in der Not, dann werde ich dich retten und du wirst mich preisen.“ Das gilt sicher nicht nur für die Frommen oder gar Superfrommen. Jesus hat einmal den Vergleich zwischen dem Gebet eines „Sünders“ und eines „Superfrommen“ gewagt und daran deutlich gemacht, dass die Herzenshaltung über die Annahme des Gebets bei Gott entschieden hat und so der Sünder die Antwort seiner Liebe zugesprochen bekam und der vermeintlich Superfromme „leer“ nach Hause ging.
Leider fühlen sich heute Christen schnell leer im Gebet. Das hat viele Gründe, die Distanz zu Gott kann ein Grund sein. Allerdings hat Gott versprochen, dass alle, die ihn suchen, ihn finden und allen, die bei ihm anklopfen, geöffnet wird, und alle, die bitten, empfangen. Entscheidend ist unsere Hinwendung zu Gott. Wir können ihn aktiv suchen und wirklich persönlich anklopfen durch unser ganz einfaches Gebet.
Diese Neuausrichtung wartet Gott allerdings ab, und vielleicht antwortet er nicht so unmittelbar, wie wir es in dem Moment erwarten. Aber entdecken wir dann doch eine Tugend des Alten Testaments neu und „warten auf Gott“ wie der Wächter auf den Morgen. Nicht mit der Haltung: „Da kommt ja doch nichts“,  sondern in der festen Gewissheit: Der nächste Morgen kommt und genauso sicher auch die Antwort Gottes, Sein Eingreifen, seine Zuwendung zu mir. Normalerweise ist eine solche „erwartungsvolle“ Haltung des Wartens auf Gott mit einer großen Belohnung verbunden. Gott selber kommt und wirkt in meinem Leben ganz konkret und in einer besonderen Weise, individuell und einzigartig, so wie seine Liebe zu uns ist.
 
Die Fragen stellte Barbara v. Schnurbein


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